Bannertop.png

Guanfacin

Aus ADHSpedia
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Guanfacin als Intuniv (4mg, 28 St.)

Guanfacin (GXR) ist ein unter den Handelsnamen Intuniv, Afken, Estulic und Tenex vertriebener α2-Adrenozeptor-Agonist, der zur medikamentösen Behandlung von ADHS rezeptiert werden kann. In der EU wurde Guanfacin nach dem Zulassungsantrag durch den Pharmakonzern Shire plc (mittlerweile Takeda Pharmaceutical) im September 2015 zugelassen.[1] Guanfacin ist kein Stimulans und eignet sich nicht zum Missbrauch als Rauschmittel.

Guanfacin ist in Deutschland bislang nur für Kinder und Jugendliche von 6 bis 17 Jahren zugelassen. Eine Verschreibung an Erwachsene ist aktuell nur off-label möglich.

Struktur

Bei Guanfacin (C9H9Cl2N3O, Mr = 246.1 g/mol) handelt es sich um ein Phenylacetyl-Guanidin-Derivat, in Arzneimitteln liegt es als Guanfacinhydrochlorid vor.

Aussehen und Inhalt der Packung (Intuniv)

Intuniv ist eine Retardtablette. Dies bedeutet, dass der Wirkstoff aus der Tablette über einen längeren Zeitraum freigesetzt wird. Es gibt Packungen zu 7, 28 oder 84 Retardtablettenverfügbar, aber es werden möglicherweise nicht alle Packungsgrößen in den Verkehr gebracht.

  • Die 1 mgRetardtabletten sind runde, weiße bis fast weiße Tabletten mit der Prägung 1MG auf der einen Seite und 503 auf der anderen.
  • Die 2 mg Retardtabletten sind längliche, weiße bis fast weiße Tabletten mit der Prägung 2MG auf der einen Seite und 503 auf der anderen.
  • Die 3 mg Retardtabletten sind runde, grüne Tabletten mit der Prägung 3MG auf der einen Seite und 503 auf der anderen.
  • Die 4 mg Retardtabletten sind längliche, grüne Tabletten mit der Prägung 4MG auf der einen Seite und 503 auf der anderen.

Indikationen

Indikationen von Guancin sind neben ADHS im Kindes- und Jugendalter (6 bis 17 Jahren) unter anderem ADHS-komorbide Ticstörungen sowie Angststörungen. Guanfacin ist aktuell nicht für die Indikation ADHS im Erwachsenenalter zugelassen (2018). Eine Verschreibung ist daher nur off-label möglich.

Wirkungsweise bei ADHS

Guanfacin ist in seiner Struktur und Wirkung dem Clonidin ähnlich, das als Antihypertensivum zugelassen ist.[2] Guanfacin hat allerdings eine geringere blutdrucksenkende und weniger sedierende Wirkung. Anders als Clonidin stimuliert Guanfacin bevorzugt (selektiv) den Alpha-2A-, Alpha-2-B- und Alpha-2-C-Adrenozeptor, welche prä- und postsynaptisch im zentralen Nervensystem vorkommen. Der genaue Wirkmechanismus von Guanfacin bei der Behandlung von ADHS ist nicht vollständig geklärt. Es wird diskutiert, dass die agonistische Wirkung an postsynaptischen Alpha-2A-Adrenozeptoren insbesondere im präfrontalen Kortex entscheidend ist. Präklinische Forschungen haben ergeben, dass Guanfacin bei Versuchstieren neben Impulskontrolle und Aufmerksamkeit auch die Leistung des Arbeitsgedächtnisses verbessert.

Guanfacin wird rasch resorbiert, die Spitzenkozentrationen im Plasma werden bei pädiatrischen Patienten (Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 17 Jahren) etwa fünf Stunden nach der oralen Anwendung erreicht. Die Einnahme mit einer fettreichen Mahlzeit erhöht Cmax- und AUC-Werte signifikant und kann unerwünschte Arzneimittelwirkungen verstärken. Guanfacin wird über eine CYP3A4/5-vermittelte Oxidation mit Sulfatierung und Glucuronidierung als anschließendden Phase-II-Reaktionen verstoffwechselt. Der im Blut auftretende Hauptmetabolit ist 3-OH-Guanfacinsulfat. Guanfacin wird über die Nieren und über die Leber ausgeschieden. Haupteliminationswert ist die renale Ausscheidung (50 %). Die Eliminationshalbwertszeit von Guanfacin liegt bei etwa 18 Stunden.

Arbeitsgedächtnis

Guanfacin werden Verbesserungen insbesondere auch des Arbeitsgedächtnisses zugeschrieben. In tierexperimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass es unter der Anwendung von Guanfacin zu einer Zunahme des regionalen zerebralen Blutflusses im Bereich des dorsolateralen präfrontalen Cortexes kam, während die Affen eine Aufgabe zur Erfassung des räumlichen Arbeitsgedächtnisses bewältigten.

Noradrenalin

Verschiedene Untersuchungen konnten für Guanfacin mögliche Wirkungen auch auf das Noradrenalin-Rezeptorsystem aufzeigen, die mit einer Verbesserung der Symptomatik einherzugehen scheinen. [3][4]

Wirksamkeit

In verschiedenen Studien konnte Guanfacin die Symptom-Scores für ADHS (ADHD-RS-IV) bei Kindern und Jugedlichen verbessern. In einer Studie mit 337 Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 17 Jahren betrug die Reduktion der ADHS-Symptome unter Behandlung mit Intuniv nach 10 bis 13 Wochen 24 Punkte, im Vergleich zu einer Reduktion um 15 Punkte unter Placebo sowie 19 Punkte unter Atomoxetin. In einer weiteren Studie mit 312 Jugendlichen im Alter von 13 bis 17 Jahren betrug die Reduktion der ADHS-Scores unter Intuniv nach 13 Wochen 25 Punkte und unter Placebo 19 Punkte.[5][6]

Dosierung

Zeitprofil der Guanfacin-Plasmakonzentration bei Einzeldosen von 1-4 mg Intuniv bei Erwachsenen

Zu Beginn der Behandlung mit Intuniv ist eine sorgfältige Dosistitration und Überwachung des Patienten erforderlich, da die Erzielung einer klinischen Besserung und die Risiken für das Auftreten verschiedener klinisch signifikanter unerwünschter Reaktionen (Kreislaufkollaps,Hypotonie, Bradykardie, Somnolenz und Sedierung) dosis- und expositionsabhängig sind. Die Patienten sind darauf hinzuweisen, dass es insbesondere zu Behandlungsbeginn und nach Dosissteigerung zu Somnolenz und Sedierung kommen kann. Persistieren Somnolenz und Sedierung oder sind diese als klinisch bedenklich einzustufen, sollte eine Dosissenkung oder ein Behandlungsabbruch in Erwägung gezogen werden.

Die empfohlene Initialdosis beträgt 1 mg Guanfacin einmal täglich oral. Die Dosis kann in wöchentlichen Abständen in Schritten von maximal 1 mg angepasst werden. Die Dosis ist je nach Ansprechen des Patienten und Verträglichkeit der Behandlung individuell einzustellen. In Abhängigkeit vom Ansprechen des Patienten und der Verträglichkeit von Intuniv liegt die empfohlene Erhaltungsdosis bei 0,05 – 0,12 mg/kg/Tag. Dosisanpassungen (Dosiserhöhung bzw. -senkung) bis zu einer verträglichen Höchstdosis innerhalb des empfohlenen optimalen, an das Körpergewicht angepassten Dosisbereichs basieren auf der klinischen Beurteilung des therapeutischen Ansprechens des Patienten und der Verträglichkeit und können nach der Initialdosis in wöchentlichen Abständen vorgenommen werden.[7]

Titrationsschema für Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren

Gewichtsgruppe Woche 1 Woche 2 Woche 3 Woche 4
25 kg und mehr
Höchstdosis= 4 mg
1 mg 2 mg 3 mg 4 mg

Titrationsschema für Kinder und Jugendlche im Alter von 13 bis 17 Jahren

Gewichtsgruppe Woche 1 Woche 2 Woche 2 Woche 4 Woche 5 Woche 6 Woche 7
34 – 41,4 kg
Höchstdosis= 4 mg
1 mg 2 mg 3 mg 4 mg
41,5 – 49,4 kg
Höchstdosis= 5 mg
1 mg 2 mg 3 mg 4 mg 5 mg
49,5 - 58,4 kg
Höchstdosis= 6 mg
1 mg 2 mg 3 mg 4 mg 5 mg 6 mg
58,5 kg und mehr
Höchstdosis= 7 mg
1 mg 2 mg 3 mg 4 mg 5 mg 6 mg 7 mg

Kombinationsbehandlung

Kombination mit Stimulanzien

Guanfacin kann mit Methylphenidat und anderen Stimulanzien wie Lisdexamfetamin[8] kombiniert werden. Eine Doppelblind-Studie von McCracken et al. mit 7 bis 14 Jahre alten Kindern und Jugendlichen berichtet von therapeutischen Vorteilen der Kombinationstherapie, die sich möglicherweise durch einen verstärkten dopaminergen Alpha2A-Agonismus ergeben.[9]

Reduktion von stimulanzienbedingter Tachykardie

Aufgrund seiner Eigenschaften als α2-Agonist ist Guanfacin geeignet, die unter der Stimulanzienbehandlung häufig auftretenden Tachykardien (Herzrasen) zu reduzieren.

Nebenwirkungen

Sehr häufige unterwünschte Wirkungen sind unter anderem Somnolenz und Ermüdung, häufige Sedierung, Bradykardie und Synkopen sowie Blutdruckabfall. Darüber hinaus kann eine Verlängerung der QTc-Zeit auftreten. Bei abruptem Absetzen ist zudem auf Blutdruckanstieg zu achten. Die Exposition kann sich bei gleichzeitiger Einnahme einer fettreichen Mahlzeit erhöhen. Körpergröße, Körpergewicht und BMI sollten angesichts einer möglichen Gewichtszunahme kontrolliert werden.

Studien und wissenschaftliche Publikationen

Deutsch

Englisch

Siehe auch

Weblinks

Fachmaterialien

Weitere interessante Artikel

Info.jpg

Einzelnachweise

  1. http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/human/medicines/003759/human_med_001910.jsp&mid=WC0b01ac058001d124
  2. vgl. https://www.kvwl.de/arzt/verordnung/arzneimittel/info/wa/guanfacin.pdf
  3. J. Martinez-Raga, C. Knecht, R. de Alvaro: Profile of guanfacine extended release and its potential in the treatment of attention-deficit hyperactivity disorder. In: Neuropsychiatric disease and treatment. Band 11, 2015, S. 1359–1370,
  4. T. Hirota, S. Schwartz, C. U. Correll: Alpha-2 agonists for attention-deficit/hyperactivity disorder in youth: a systematic review and meta-analysis of monotherapy and add-on trials to stimulant therapy. In: Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry. Band 53, Nummer 2, Februar 2014, S. 153–173
  5. https://www.scottishmedicines.org.uk/media/1791/guanfacine_hydrochloride_intuniv_final_january_2016_for_website.pdf
  6. vgl. http://www.ema.europa.eu/docs/de_DE/document_library/EPAR_-_Summary_for_the_public/human/003759/WC500195133.pdf
  7. https://ec.europa.eu/health/documents/community-register/2015/20150917132789/anx_132789_de.pdf
  8. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23615868
  9. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4976782/
Weiteremedikamente.png