Symptome
ADHS wird über die Leitsymptome mangelnde Aufmerksamkeit, Impulsivität und in bestimmten Fällen auch Hyperaktivität definiert. Die genannten Symptome implizieren mangels Spezifität für sich allein gesehen jedoch keine ADHS, da sie in gleicher Konstellation auch bei vielen anderen Erkrankungen auftreten können.[1] Dies begründet auch die klinische Wertlosigkeit der vielerorts angebotenen Selbsttests.
Ein ADHS-Verdacht erhärtet sich erst dann, wenn andere in Frage kommende Störungsbilder im Rahmen von Differenzialdiagnostik und Anamnese mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden konnten. Auch müssen einige weitere Kriterien, darunter ein Bestehen der Symptome über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten sowie eine deutliche kausale Beeinträchtigung in mindestens zwei Lebensbereichen erfüllt sein.[2] Dies macht ADHS zu einem schwierig zu diagnostizierenden und kontrovers diskutierten Störungsbild.
Die Leitsymptome sind ausführlich, jedoch relativ unscharf im Rahmen der Klassifikationsschemata der Weltgesundheitsorganisation (Diagnosemanual ICD) und der American Psychiatric Association (Diagnosemanual DSM) klassifiziert. Die aktuellen Diagnosemanuale sind das ICD-11 sowie seit Mai 2013 das DSM-V.
Leitsymptome
Als Leitsymptome sind die bei zwei subklinischen Varianten auftretende
- motorische Unruhe (Hyperaktivität)
- Impulsivität sowie
- Einschränkungen im Bereich der Aufmerksamkeit
beschrieben. Neben den in den Diagnosehandbüchern beschriebenen Symptomen und Subtypen beschreiben einige Experten noch weitere subklinische Varianten, die sich nur in einzelnen Lebensbereichen (zum Beispiel in der Schule) bemerkbar machen. Diese sind aufgrund mangelnder Validität jedoch bislang nicht unter der Hauptklassifikation (F.90.-) der ICD-10 aufgenommen worden.[3]
Schweregrade
Bestimmung des Krankheitswerts
Vom Schweregrad der ADHS-Symptomatik leitet sich die Behandlungsnotwendigkeit ab. Mancher Mensch weist (angesichts der postulierten genetischen Prädisposition) ein ganzes Leben lang Merkmale einer ADHS-Symptomatik auf, ohne, dass dies über die Lebensspanne mit gravierenden Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre. In diesem Fall wird weder das soziale Umfeld, noch der Betroffene selbst eine Notwendigkeit zu einer Diagnostik oder Therapie sehen, da die Verhaltenscharakteristika mit keinem Leidensdruck verbunden sind. Die Symptomatik tritt eher in Form von Persönlichkeitsakzentuierungen auf, ein Krankheitswert ist nicht vorhanden. Mit zunehmendem Schweregrad, der bis hin zur Qualität einer Schwerbehinderung reichen kann, können folglich verschiedene therapeutische Interventionen indiziert sein. Diese richten sich individuell nach den Voraussetzungen des Patienten und seines Umfelds (→ siehe auch: Multimodale Therapie).
Schweregrade
Die im Jahr 2018 veröffentlichte S3-Leitlinie sieht erstmals eine Unterteilung der ADHS-Symptomatik in Schweregrade vor, nach denen sich die Therapie ausrichten soll.[4]
Nach aktuellem Forschungsstand kann ein bedeutender Teil des Schweregrades auch genetisch und neurobiologisch bedingt sein.
Leichte Ausprägung | Mittelschwere Ausprägung | Schwere Ausprägung |
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Symptome einer leichten (subklinischen) ADHS-Symptomatik können gleichermaßen als „abweichende Charaktermerkmale“ attribuiert werden und implizieren weder den Wert einer psychischen Störung, noch die Behandlung einer solchen. Die betroffenen können durch assoziative Lockerungen, eine leichte Überreagibilität (Temperament), ggf. durch mäßige motorische Unruhe, eine erhöhte Ablenkbarkeit und leichte, bzw. sporadische Konzentrationsschwächen auffallen.
Die Betroffenen haben aufgrund dieser Merkmale keine bedeutenden Schwierigkeiten im schulischen oder beruflichen Alltag. Eine positive ADHS-Diagnose wird ggf. trotz der vorhandenen Disposition nicht gestellt. |
Eine mittelschwer ausgeprägte ADHS-Symptomatik wird durch deutliche Schwierigkeiten bei der Impulskontrolle (Bedürfnisaufschub erschwert, reagieren schnell über, können nicht abwarten) und bei der Konzentration deutlich. Tritt Hyperaktivität begleitend auf, wirkt sich diese ggf. deutlich beeinträchtigend aus. Soziale Auffälligkeiten treten jedoch nicht in gravierendem Maße auf. Die Betroffenen haben schulische oder berufliche Schwierigkeiten. Mittelschwer Betroffene sind vor diesem Hintergrund diagnose- und behandlungsbedürftig. Eine medikamentöse Behandlung ist bei mittelschwer Betroffenen noch nicht notwendig, wenn ausreichende soziale Ressourcen zur Verfügung stehen. Unterbleibt eine Behandlung, ist das Risiko eines unangemessenen Lebenslaufs und der Entstehung sekundärer Erkrankungen erhöht. Bei erfolgreicher Therapie ist ein Rückfall auf das Niveau einer leichten Ausprägung möglich. |
Schwer Betroffene sind schwer sozialisierbar. Sie fallen durch deutliche und schwere, auch komorbide Verhaltensstörungen auf und haben ein stark erhöhtes Risiko zu negativen Entwicklungen (Suchterkrankungen, Delinquenz).
Sekundäre Erkrankungen (vor allem Depressionen) sind sehr häufig. Eine medikamentöse Therapieaugmentation ist in der Regel angezeigt. Erstes Ziel der Therapie ist die (Re-)Sozialisierung des Betroffenen, langfristiges Ziel seine gesellschaftliche Integration. |
Diagnosekriterien von ICD-10 und DSM-IV
Nachfolgend eine tabellarische Gegenüberstellung mit Erläuterung der ADHS-Leitsymptome der beiden Systeme ICD-10 und DSM-IV.[5][6]
Symptome der hyperkinetischen Störung nach ICD-10 | Symptome der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung nach DSM-IV | |||
Unaufmerk- samkeit |
Mindestens sechs Monate lang mindestens sechs der folgenden Symptome von Unaufmerksamkeit in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß.
Die Kinder
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Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome von Unaufmerksamkeit sind während der letzten sechs Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß vorhanden gewesen:
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Überaktivität |
Mindestens sechs Monate lang mindestens drei der folgenden Symptome von Überaktivität in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß. Die Kinder
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Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome der Hyperaktivität und Impulsivität sind während der letzten sechs Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß vorhanden gewesen.
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Impulsivität |
Mindestens sechs Monate lang mindestens eins der folgenden Symptome von Impulsivität in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß. Die Kinder
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Zusätzliche Kriterien |
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Änderungen im DSM-V
In der fünften und aktuellen Auflage des Klassifikationssystems DSM-V wurde die Definition der diagnostischen Kriterien der ADHS überarbeitet.
- Die Zahl der für die Diagnose erforderlichen Symptome wurde für Patienten ab 17 Jahren von sechs auf fünf Symptome reduziert. Dies ergänzt die Diagnosemöglichkeit der ADHS im Erwachsenenalter
- Die 18 im DSM-IV beschriebenen Kernsymptome werden teilweise um Kriterien für die Lebensbereiche Erwachsener ergänzt
- Die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung wird nicht mehr als Ausschlusskriterium für die Diagnose ADHS geführt
- Das Alterskriterium für die Erstmanifestation von ADHS-Symptomen wurde vom siebten auf das 12. Lebensjahr angehoben.
- Es finden sich nun Hinweise darüber, dass im Rahmen der Diagnosestellung zur sichereren Einschätzung der situationsübergreifenden Problematik mehrere Informanten befragt werden sollen
- ADHS wird nun unter Neurodevelopmental Disorders kategorisiert
Einzelnachweise
- ↑ http://www.lilly-pharma.de/gesundheit/adhs/diagnose.html
- ↑ http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/ADHSLang.pdf
- ↑ Helmut Remschmidt, Martin H. Schmidt, Fritz Poustka (Hrsg.): Multiaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10 der WHO. Mit einem synoptischen Vergleich von ICD-10 und DSM-IV. 5. Auflage. Huber, Bern 2006, ISBN 3-456-84284-8, S. 33 ff.
- ↑ https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/neuro-psychiatrische_krankheiten/adhs/article/968536/neue-s3-leitlinie-adhs-therapie-je-nach-schweregrad.html
- ↑ vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivit%C3%A4tsst%C3%B6rung#Die_Diagnosekriterien_von_ICD-10_und_DSM-IV_im_Vergleich
- ↑ vgl. http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/ADHSLang.pdf